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GEORG SALNER
typo.log 36 EXP
2005 – 2007, 36 Tafelbilder a 180 x 130 cm, Bleistift, Öl und Firnis auf Leinwand
Ein schlichter vorgefertigter, hochrechteckiger Leinwandtypus (Handelsname Florenz) ist die seriell
multiplizierte Bildform. Der simple „malerische“ Anspruch darin zielt auf die Erzeugung eines
(annähernd) homogenen glatten Farbauftrags, der die Leinwand in der Oberflächenwirkung präsent
belässt, in (annähernd) exakt begrenzten flächigen Abschnitten. Die mit einem feinen Silikonspatel
aufgetragene Farbe ist fein nuanciert und klar ausdifferenziert, auch groß kontrastiert, immer
jedoch in Abwandlung des vieldeutigen Grundkanons Rot, Gelb, Schwarz, Weiß.
Das Paradigma dieser Werkgruppe ist eine zeitgemäße Synthese von geometrischer Abstraktion,
Medienkunst und Ölmalerei. Keine Technologie der westlichen bildenden Kunst ist so fundamental
kodiert wie die klassische Formel „Öl auf Leinwand“. Dieses Modell, hier zum ersten Mal in einer
Werkserie eingesetzt, ist in seiner Anachronistik in einer ganz bestimmten Weise beabsichtigt: Der
satte, für Ölfarbe typische Farbauftrag erzeugt die Art von sinnlicher Präsenz, die sich in einen
fruchtbaren Widerspruch mit den „neuen“ Inhalten setzt.
Die gleichförmige, prozesshafte Konzentration des physisch-mentalen Potentials langsamen,
langwierigen Handelns anhand dieser klassischen Farbsubstanz ist die einzige (industrieller und
digitaler Technologie entgegengesetzte) Technik, die die Entstehung der Bilder durchträgt. Sie wird
– wie früher schon mit ähnlichen Strategien – als Möglichkeit der Anreicherung, Umwertung und
Überzeichnung banaler und beiläufiger Momente begriffen.
In dieses Medium eingeschlossen, erscheinen die Inhalte – in der Mehrzahl inspiriert von Splittern
und Anhängseln von IT und Medienwelten – als eine Art poetischer Metaschrift. Die Vergrößerung der
„gegenständlichen“ Ausgangspunkte der Bildinhalte in die gewählte Größe der Bilder ist Teil des
Transformationsprozesses, was auch einen Teil der parallelen Wirkung von Nähe und (ironischer)
Distanz ergibt.
Übersicht, Orientierung, schnelle Auffassung sind auch in den Ordnungskoordinaten des Quadrats
begründet – ein Prinzip das auch in den neuen Bildern weiter geführt wird, allerdings bereichert um
alle Möglichkeiten der Asymmetrie, der verstärkten Hereinnahme von Kreis(teil)formen und im Dialog
mit zeittypischen Anwendungen von Schrift und Design.
Der Begriff des Typs (laut Duden: Urbild, Grundform, Beispiel in der Philosophie oder Bauart,
Muster, Modell in der Technik) spielt eine wesentliche Rolle. Alle Einzelbilder der Serie sind in
ihrer beabsichtigten Diversität jeweils auch Spezialisierungen eines allgemeinen Prinzips (Typs).
Der schon angesprochene malerische Dia/log bezieht sich also sowohl auf den Typus als auch manchmal
auf die konkrete Anwendung desselben in einem Vorbild.
Das Funktionale von Grafik-Design und Typo/graphie wird hier in seinem spielerischen Potential
verstärkt und begegnet, wie auch schon vorausgeschickt, dem Poetischen. Das Typische wird
hervorgekehrt durch das Reduzierte: Eine denkmögliche Anbindung an Minimalismus, Konkret und
Konstruktiv erscheint allerdings sichtbar aufgemischt mit Pop (und dem Pep der Ölfarbe).
Der Logos (Rede, Wort, Begriff), die Logik, das Logo und .log (Web) sind ebenfalls erwünschte
Assoziationen, die graduell ihren Anteil im Bildgeschehen haben. Anwendungen von Wörtern,
Wortfragmenten, Buchstaben, Buchstabenfragmenten oder freien Buchstabenkombinationen, logoartige
Formen, Grundstrukturen von digitalen Benutzeroberflächen oder von Textdisplays und Signifikantes
aus dem Web sowie aus dem globalen Zeichendschungel (Icons, Brands & Codes) können, befreit vom
Kontext, der Text- und Bilderflut entledigt, frei fluktuierend zum Bildgedanken, zum Bildwort, zur
Bildrede werden.
Das englische „pun“ bedeutet Wortspiel: Dies ist ein erstaunlicher Zufall, der sich erst nach der
Festlegung der Bildstruktur a n d / u n d / p u n aufgeklärt hat (Nr.6).
Dass genau 36 restliche Blätter eines DinA4-Blockes zur Zeit der Projektierung der Bilderfolge zur
Verfügung standen, ist ebenfalls einer der Zufälle, die das Werk charakterisieren, umso mehr als
sich das Blattformat (annähernd) um den Faktor 36 (6²) vergrößert im Leinwandformat wieder findet.
Das Zahlenquadrat ist somit doppelt in die Serie eingeschrieben und macht sie zu einer Einheit, an
die wiederum viele Assoziationen gehängt werden können (…die Anzahl der Belichtungen eines
Kleinbildfilms, Hokusais „36 Ansichten des Fujisan“, etc.).
36 Sätze zu typo.log 36 EXP entsprechend der chronologischen Abfolge der Einzelbilder
- Am Anfang eines Bildes (einer Bilderreihe) steht immer (wieder) ein Raster.
- Von links schiebt sich etwas über etwas, das sich von rechts ins Bild schiebt.
- Neo ist immer aktuell.
- Leere, auch partielle Leere, ist immer Potential für Fülle, volle Leere.
- Das logo meint ein Lesen hart an der Grenze des Wortes.
- /pun/ heißt Wortspiel /und/ ist ein Zufall, der kein Zufall sein kann.
- Das Gerade gerät durch das Verschobene zur Schräge, welche Anteil hat am scheinbar
Erhabenen.
- Dies ist ein Blindtext für Sehende. Punkt.
- Das Eine türmt sich auf dem Einen, das zum Anderen wird, unauflöslich mit dem Einen.
- Nach außen ein Rechteck, ist es das nach innen nur mehr tendenziell.
- Von oben zieht das Orthogonale (zweifach) in die Verwirrung und verlässt sie dann
beidseitig.
- Diese Notation beruht auf grundsätzlich Nebensächlichem.
- Aus Eins mach Vier, aus Vier Acht, Formen dergestalt linksbündig.
- Was Bild und Text war, ist verdichtet in Farbe und Form schön beisammen.
- Der größte Text der jüngeren Weltgeschichte entstand aus einem Ereignis, das allgemein in
Form einer banalen Zahlenkombination dargestellt wird.
- On und off geht es on and on und on.
- Die Perspektiven verschieben sich wechselnd von N.Y. nach LA, das schier Größte dahinter
wird
einfach übersehen.
- Was es war, ist es nicht mehr, viel mehr.
- Das Kleine, somit auch Ferne, ist ganz groß und nah, noch immer schweigsam, aber schlau.
- He/She, sie & er: Übergang, Brücke, Bindeglied von oben und unten, links und rechts.
- Auf die sanfte Unruhe im strengen Gefüge kommt es an.
- Hereinragend nimmt es Anteil am großen, klaren Gefüge, am Bildwelt/Geschehen.
- Alle Aufmerksamkeit und jede Bemühung endet im Nichts
- Wenig von großen Lettern, einst horizontal, ist jetzt vertikal.
- Die späte Erkenntnis, dass nichts so ist, wie es scheint, und wenig, wie es sein sollte.
- Das Bild-Coenzym im geometrischen Raum kann allein neben der Farbnuancierung das Bild
heilen.
- Bewegung kann sich in jede Richtung entfalten, richtungweisend sind vier.
- Offene Kreisflächen in Gelb, dynamisierend gewichtet im Grau, geben Handlungsspielraum.
- Das Kommunikationsunternehmen Bild ist eine Ikone seiner selbst (NOKIA).
- Das sich selbst umrundende a des Klammeraffen ist die globale Klammer und bewirkt viel
voreinander, hintereinander, viel auf und ab und hin und her.
- Die Bewertung der vier Flächen führt in jeweils gleicher Weise zu unterschiedlichen
Ergebnissen.
- Das konstruktive Prinzip begibt sich auf den Scheideweg, an dessen Ende sich noch Inhalt
andeuten könnte.
- Sex sells, dafür braucht er aber Ziffern und Nummern.
- Das Überleben bestimmter Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts im einundzwanzigsten ist
gewährleistet.
- Dieses Bild will eigentlich nicht live online sein, und ist es doch.
- Die Antwort auf clips ’n pix, schnell und cool, gibt ein beständig liegendes P im
suprematistisch zergliederten Umraum.
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