Ferdinandea Nr. 22, November 2012 – Jänner 2013
Sie sind bereits seit 1982 als freischaffender Künstler tätig. Wie haben Sie ihre Karriere
als Künstler begonnen?
Es war mein älterer Bruder Luis, der schon an der Akademie der bildenden Künste studierte,
bevor ich und in der Folge auch mein zweiter Bruder Arthur 1977 den Entschluss fassten, uns
dort ebenso zu bewerben. Das Zeichnerische hatte mich am meisten interessiert, doch die
Entscheidung für die Klasse Freie Grafik ergab sich erst bei meiner Vorstellung an den
Wiener Akademien. Während meiner Akademiezeit wurde ich auch bestärkt durch ein intensives
Gespräch mit Max Weiler, der dabei mein Vorhaben, freischaffender Künstler zu werden „die
einzig richtige Entscheidung“ nannte. Ich sehe ihn als einen Tiroler Übervater, und sein
Werk als eines, das Bestand hat. Unter den bedeutenden Tirolern ist mir Heinz Gappmayr heute
natürlich näher. Durch die Unterstützung meines zehn Jahre älteren Kollegen Turi Werkner
konnte ich bald eine Ausstellung in der Galerie Ariadne ausrichten, die unter anderen von
Kristian Sotriffer sehr gelobt wurde.
Wie ist die aktuelle Ausstellung im Tiroler Landesmuseum zustande gekommen, und worauf
beziehen Sie sich im Titel „multiple identität“?
Günter Dankl kennt meine Arbeit schon lange und wir standen ja bereits bei früheren
Ausstellungen in Kontakt. Er besuchte mich gelegentlich in Wien und so haben wir einen
langfristigen Termin vereinbart, dann die Ausstellung gemeinsam konzipiert und vorbereitet.
Die Herausforderung lag in der Auswahl der Exponate, mit denen ich nun insbesondere im
Katalog Resümee über meine Arbeit der letzten 20 Jahre ziehe. Die Anzahl der Werke hätte ja
einen guten Teil des Museums gefüllt, und natürlich war der Wunsch da, mehr auszustellen.
Die räumliche Beschränkung und mein Kurator haben schließlich für die nötige Auswahl
gesorgt. Ich habe den Katalog konzipiert und die Hängung der Werke selbst disponiert. Die
umfangreichen Vorbereitungen verliefen reibungslos. Nun freue ich mich sehr, zum größten
Teil nicht gezeigte Exponate an den Wänden zu sehen.
Zum Titel „multiple identität“: Der Begriff „multipel“ hat ja diese Zweideutigkeit des
Vielfältigen und des Vervielfachten, so interpretiere ich ihn zumindest, ein äußerst
vieldeutiges Konstrukt auf der Basis von zwei gut verständlichen Fremdworten. Ich liebe das
Multiple, Vieldeutige und das Vielzahlige – neben dem Einen, Beständigen und immer Gleichen
– der Reiz, der darin liegt ist ein lebensimmanentes Phänomen; um es mit den Engländern zu
sagen: “ Variety is the spice of life“.
Können Sie einige Erläuterungen zu Ihrer Arbeit „hidden decision“ geben, welche Sie eigens
für diese Ausstellung im Ferdinandeum konzipiert haben?
Es geht um Uneindeutiges, Fluktuierendes und Missverständliches in zwischenmenschlicher
Kommunikation, um seltsame, widersprüchliche Elemente und Unwägbarkeiten, die in uns
angelegt sind und von denen wir umgeben sind. Ich erlebe es als besonders spannend, dem in
der Sprache nachzugehen. Der Titel der Arbeit „hidden decision“ verweist auf die vielen
intuitiven Entscheidungen, die ich als Mensch und auch als Künstler treffe, aber auch zum
Beispiel auf die großen weltpolitisch wichtigen, uns verborgenen Entscheidungen. Ich stelle
eine Auflistung sprachlicher, ähnlich mysteriöser Konstrukte auf einer Spiegelkonstruktion
einander gegenüber, mit englischen Texten auf der einen und deren deutscher Entsprechung auf
der anderen Seite. Aus den sich ineinander spiegelnden, doppelgleisig angelegten Wortgruppen
ergibt sich eine multiplikatorische, räumlich ausgeweitete Situation, in der sich die
Betrachter unauflöslich spiegelbildlich wiederfinden. Darüber hinaus erschafft Jeder und
Jede lesend eine neue Interpretation. So entstehen vieldeutige Konstrukte aus jeweils zwei
schlichten Worten.
Wie entstehen neue Arbeiten, Ideen oder Konzepte?
Mit Erwin Wurm sage ich: „Durch Arbeit entstehen die Ideen.“ Ich habe ein kleines Atelier in
Wien, eine Art Denkerstübchen, in dem aber auch die Bild-Konzepte umgesetzt werden. Oder
Konzepte erdacht werden, die großen Reisen mit Rucksack und Kamera Struktur geben, zum
Beispiel 2005 während dreier Monate in China und zweier Monate in Indien 2008. So kann ich
auch als Künstler sozusagen verschiedene Leben führen, wie das eines
Schwarz-Weiß-Fotografen, der dann aber wieder ins Atelier zurückkehrt und sich intensiv und
energiegeladen mit der Ölmalerei beschäftigt. In diesen Gegensätzen liegt ja gerade das
Spannende. All diese Medien dienen mir dazu, mit den beispielhaften Mitteln der Kunst etwas
„hoch zu kitzeln“ das im Leben bereits angelegt ist. Dabei liebe ich die Herausforderung,
mir immer etwas Neues anzueignen – so bleibt meine Arbeit ein Abenteuer, und ich weiß vorher
nie genau, wohin ich komme.
Was bedeutet handwerkliche Präzision für Sie?
Präzision ist Ausdruck der Konzentration, Meisterschaft, des langsamen Tuns, des
Kontemplativen. Ich lege auch Wert auf gute Qualität der Arbeitsmaterialien. Mein zuletzt
gehandhabtes Werkzeug in der Malerei war nicht der Pinsel, sondern ein Silikonspatel, mit
dem die Farbe präzise anhand von feinen Bleistiftlinien aufgetragen wurde. Bei den Gouachen
werden die Begrenzungen mit Lineal und Zirkel in Farbe gezogen. Bei aller Liebe zur
Langsamkeit, Perfektion und Geometrie bin ich selbst jedoch ein unruhiger Geist mit großer
Ideenvielfalt. Als Ausgleich zur langsamen und ruhigen Atelierarbeit in Wien übe ich bewusst
dynamische, aber hoch konzentrierende Sportarten aus.
Was würden Sie heute in einer Art „Zwischenbilanz“ als die Konstante in Ihrer künstlerischen
Arbeit bezeichnen?
Da wäre auf jeden Fall eine Selbstsicht mit Augenzwinkern. Ich nehme weder die Kunst noch
meine eigene Person als Künstler allzu wichtig. Inhaltlich ist es zum einen die
Beschäftigung mit rein bildspezifischen Problemen, auf dem Spielfeld spannender
Flächengestaltungen. Zum Zweiten ist es das Beobachten von Phänomenen in Medien und
Kommunikation, seien sie sprachlich oder bildhaft. In Überschneidungen damit beziehe ich
mich auch seit Langem auf Ästhetiken, die in Werbung, Design und Architektur Anwendung
finden. Ich interessiere mich kritisch für die moderne Welt mit all ihren zivilisatorischen
Phänomenen und Technologien. Ich bewege mich gerne in diesem andauernden Pingpongspiel
zwischen angewandter und bildender Kunst.
Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch!
Die Fragen stellte Eva Maria Weis