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PIC.INDIVIDUAL


GEORG SALNER
PIC.INDIVIDUAL 
aus der jüngsten seriellen Bildproduktion (2014 - 2016)
 
Mittwoch, 25. Jänner 2016,  19 h
G a l e r i e   M a r k h o f  2

Einführende Worte von Vitus Weh
(gekürzte Variante)

Im Katalog zu Georg Salners Ausstellung im Tiroler Landesmuseum (2012/13) findet sich ein Zitat, das für das künstlerische Werk von Salner als prägnantes Motto gelten kann:

„Die allgemeine Grunderfahrung einer zersplitterten Welt - verwirrend, unendlich vielfältig und voller Spannungen – macht unser aller Lebenswirklichkeit aus.“

Dieser Satz lohnt eine nähere Betrachtung.
Sowohl am Anfang als auch am Ende des Satzes geht es um ein allgemeines „uns“, geht es um eine soziale Totalität.

Der Satz beginnt mit: „Die allgemeine Grunderfahrung“
und endet mit: „unser aller Lebenswirklichkeit“

Verallgemeinern kann man eigentlich nur Gegebenheiten, denen man nicht entkommen kann und die für alle von uns gleichermaßen gelten. Also Dinge wie Raum, Zeit und die menschliche Sterblichkeit. Zugleich sind aber die Begriffe „Grunderfahrung“ und „Lebenswirklichkeit“ eindeutig psychologische Wahrnehmungen, also per se individuell und verschieden. Die gewählte gegenläufige Begrifflichkeit ähnelt stark den „Lebenswelt“-Konzepten, wie sie die Philosophen Edmund Husserl und Ludwig Wittgenstein formuliert haben. Sinnhaft geht es dabei um das Verstehen von Bedeutung durch den kommunikativen Gebrauch.

Was also kommuniziert der Motto-Satz?
Die allgemeine Grunderfahrung ist jene einer „zersplitterten Welt“.

Die „zersplitterte Welt“ ist eine Metapher. Nicht den materiellen Planet, auf dem wir alle stehen, erfahren wir als zersplittert, sondern die bereits erwähnte „Lebenswelt“, die uns wie eine soziale Atmosphäre aus Zeichen und Formen umgibt. Mit „zersplittert“ gemeint ist der gefühlte Verlust dieser Atmosphäre als einer natürlichen, unbefragten oder organisch-gewachsenen Lebensform. Stattdessen herrscht überall eine rationale Organisiertheit.

Tatsächlich ist die Zersplitterung eine der zentralen Gestalt-Erfahrungen der Moderne. Sie wurde besonders zu Anfang des 20. Jahrhunderts von vielen Künstlern in Bilder umgesetzt. Ich erinnere nur an die buchstäblich zersplitterten Bildmotive von Franz Marc, Lionel Feininger oder Pablo Picasso.

Als Künstler kann man der empfundenen Zersplitterung allerdings auch mit ganz anderen Strategien begegnen. Eine sehr häufig angewendete Form ist die Komplexitätsreduktion. Das Urbeispiel dafür ist natürlich Malevich’s Schwarzes Quadrat. Josef Albers „Hommage to the Square“-Serie zeigt beispielsweise immer wieder das gleiche Motiv: drei oder vier zentral ineinander geschachtelte Quadrate in verschiedenen Farben.

Eine andere künstlerische Strategie, mit dem nervösen Chaos der heutigen Welt umzugehen, ist der modellhafte Nachvollzug. Ein Beispiel hierfür sind Gustav Mahlers Sinfonien, die aus einer mitunter verwirrenden Vielzahl an musikalischen Motiven und Klangfarben bestehen, aus einer Abfolge von Klangfetzen.
Sein mitunter nervöses Chaos an Einfällen wird zusammengehalten von der äußeren Form der Sinfonie.

Georg Salner scheint in seinem künstlerischen Werk einen dritten Weg zu beschreiten. Einen Weg, der die beiden Strategien Komplexitätsreduktion und Nachvollzug miteinander verschränkt. Auffallend an Salners Arbeitsweise ist zunächst einmal das Arbeiten in Serien.
Eine Salnersche Serie ist etwas sehr Strenges. Alle Bilder einer Serie haben das gleiche Format und die gleiche Machart. Für die Bildträger der ausgestellten Serie „PIC.INDIVIDUAL“ wurde eine besondere Form mit abgerundeten Ecken und Seitenkanten gewählt, so dass die bearbeitete Bildfläche bis unmittelbar zur Wand reicht. Das Außenmaß beträgt 102 x 112 cm. Die gewählte Technik ist Acryl auf Holz. Nach mehreren Jahren der Beschäftigung mit kleineren Papierformaten wurden zum Teil Entwicklungen aus dem vorangegangenen Brainstorming-Prozess vergrößert und weiter variiert oder neue dazu erfunden. Die Oberfläche der Bilder ist sehr glatt, man sieht keinen pastosen Duktus. In manchen Motiven findet man zwar einen Pinselduktus, doch hat dieser nichts Händisches an sich, sondern wirkt wie gedruckt in ihren perfekten Flächenbegrenzungen. Jedes Bild benötigt die gleiche Herstellungsdauer, im Falle der Serie „PIC.INDIVIDUAL“ etwa einen Monat, und entstammt einer ähnlichen, gedämpften Farbpalette. Die in einem größeren Teilstück ausgestellte Serie ist so – mit etlichen Unterbrechungen - im Laufe von drei Jahren entstanden. Wer solch ein strenges Produktions-Raster anwendet, betreibt natürlich Komplexitätsreduktion.

Auch das Atelier von Georg Salner, in dem er seine Serien produziert, ist sehr kompakt und karg, fast wie eine Mönchszelle. (Mit Ausnahme eines kleinen neuen Teilstücks der Tischinstallation E/O/S, das eine Insel barock anmutender Pracht darstellt.) Die Produktion einer Serie ist dadurch auch in der Praxis konzentriert und meditativ. Dies gilt analog für die Rezeption. Die in der Galerie gezeigten 16 Bildtafeln hängen alle auf gleicher Höhe und dicht beieinander. Wie ein Fries laden sie dazu ein, abgeschritten zu werden und einen zeitlichen Weg nachzuvollziehen. In dieser Praxis ähneln sie fast ein wenig der Liturgie der 14 Kreuzwegstationen als einem körperlichen Nachvollzug eines bekannten Leidensweges. Die hochdisziplinierten Bilder werden vom Künstler ja gewissermaßen durchlitten. Es steht kein besonders vergnüglicher Prozess dahinter. Alles ist dem Ergebnis untergeordnet und dessen Sinnlichkeit in angestrebter (nichtmaschineller) Perfektion. Auch andere spirituellen Traditionen kennen solche rituell-körperlichen Verfahren.

Vergleicht man hingegen die einzelnen Bilder untereinander, so ist jedes ausgesprochen verschieden. Jedes Werk scheint sich einer anderen formalen Idee zu verdanken, die sich auf der Bildfläche nach ihrer inhärenten Logik ausbreiten darf. Einmal sind es Buchstaben, ein anderes Mal eine Ansammlung von schemenartigen, vieldeutigen Prototypen. Dadurch scheint kein Bild mit dem nächsten in der Serie zu kommunizieren – außer über ihre immer gleiche äußere Gestalt. Alles spielt sich in diesem „Gehäuse“ ab, das den bekannten ‚digitalen‘ Buttons oder sogar der Form von I-phones ähnelt. Die Bezugnahme darauf aber ist bewusst diskrepant im strikt Analogen der Machart und der Präsenz und könnte auch als Spielart von „Malerei 2.0“ begriffen werden. In der internen Zusammenschau wirkt die Serie äußerst spannend in ihrer großen Unterschiedlichkeit (Zersplitterheit), die ihren Widerhall im allgemein Menschlichen (in den Menschentypen) hat. Der Künstler sagt: Ich spiele viele. Wie schon der Titel der Serie andeutet sind alle Bilder individuell: „PIC.INDIVIDUAL“


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