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U-BauAlphabet


Email, 1999, U-Bahnstation Wien

Für die bildnerische Gestaltung einer speziellen Gangsituation in der Station Hütteldorfer Straße war eine Vielzahl von formalen und inhaltlichen Überlegungen maßgeblich, die sich in einem langen Diskussionsprozess mit dem Architekten, aber auch mit anderen Fachleuten zur gewählten Version verdichteten. Einzig die Eingangsrichtung ermöglicht die Aufsicht auf eine Anzahl von 39 jeweils 15 cm breite und 280 cm hohe Streifen, die durch ein einem Zick-Zack-Band ähnliches Herausstellen der Wandpaneele vorgegeben sind. Diese Sichtstreifen rhythmisieren die ca. 40 Meter lange Wand in einer Weise, daß die regelmäßige Abfolge der Module verstärkt hervortritt und die Tiefe des Ganges visuell forciert wird. Durch den grundlegenden optischen Widerstand dieser hohen, schmalen Flächen wird die Möglichkeit für ein bewussteres Abschreiten des Ganges aufbereitet. Die weiterführende Gestaltung, die sich im Wesentlichen zweier sich ergänzender Elemente bedient, i.e. ein Farbkonzept und ein Beschriftungskonzept, zielt auf die Verstärkung dieses Effektes. Das Farbkonzept besteht in einer von dunklen gebrochenen Rottönen bis zu hellen gebrochenen Gelbtönen reichenden Abstufung über 20 Streifen bis zur Mitte der Wand, von wo sie sich im Helligkeitswert abfallend wiederholt. Bezogen auf eine imaginäre Frontalität wäre dies ein symmetrisches Bild, welches aber durch die einseitige Tiefenperspektive und durch die intendierte prozesshafte "Abwandlung" in andauernde Spannung versetzt wird. Durch die Halbierung der Länge der Wand erscheint sie überschaubarer - die Aufhellung der Farben in der Mitte korrespondiert mit der dort eingesetzten helleren Beleuchtung. Das Beschriftungskonzept ist Träger des eigentlichen Inhaltes der Gestaltung. Es ist aus dokumentarischen Publikationen der U-Bahnbaugeschichte abgeleitet, die ich nach bestimmten, die Komplexität der Organisations- und Arbeitsabläufe repräsentierenden Wortbildungen durchforstet habe. Daraus erfolgte eine Konzentration auf Begriffe aus dem Kernbereich des U-Bahnbaus, die in der wertfreien künstlichen Reihung des Alphabets aufgelistet wurden, was die Herstellung eines kulturell codierten und allgemein akzeptierten "Verlaufs" bedeutet. Außerdem liegt darin eine Andeutung des Enzyklopädischen, somit die versuchte Darstellung des "Ganzen".
Es handelt sich also um Begriffe, die im Betriebssystem U-Bahn keine Rolle mehr spielen, da sie die nicht mehr sichtbaren Basisbauvorgänge charakterisieren (=> BauAlphabet). Die Paneele, deren eigentliche Aufgabe es ist, die Ergebnisse eben dieses Baugeschehens zu kaschieren, werden nun zu Trägern seiner wörtlichen Entsprechungen. Sie formieren sich in vertikalen Reihen von Lettern zu fragmentarischen, sprachlichen Relikten und entfalten Eigenleben, auch weil die Leserichtung gebrochen wird. Die sprachlichen Begriffe messen sich gewissermaßen mit den Buchstaben, mit deren Form und Anordnung. Es ist eine Arbeit über die Macht von Buchstaben und gleichermaßen eine Wiederholung ihrer Häufung im Stadtraum und im medialen Raum. Es ist auch ein Projekt von Sprachforschung, das die Dehnbarkeit von Sprache untersucht und die Poetik einer technischen Sprache sichtet und sichtbar macht.

Der inhaltlichen Entwicklung des ornamental wirksamen Buchstabenrasters, das nur von einem engen Blickwinkel zur visuellen Einheit eines aus Wörtersäulen zusammengesetzten Textes wird, steht dessen formale Ableitung aus der im U-Bahnleitsystem verwendeten Typographie gegenüber. Die Differenz besteht in einer Outline-Abwandlung, der Verwendung von ausschließlich Großbuchstaben und in deren vertikaler Anordnung. Im Innenbereich der Buchstaben tritt die Farbe der Paneelenoberfläche wieder hervor, was ein weiteres Element der Identifikation mit einem vorgegebenen Parameter darstellt.
Die "Substanz" der Information - die Farbe - ist bei 800 Grad mit der Trägerfarbe verschmolzen.
Somit ist das Werk in exakter Abstimmung auf den Ort seiner Bestimmung erstellt. Es kann den Benützer - im Vorübergehen - mit den Grundlagen des Werdens des Ortes in Verbindung bringen.


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